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Alnatura Magazin August 2019

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Eis aus Milchalternativen // NABU-Aktion Insektensommer // Warenkunde: Hanf

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG FAMILIE Verbraucher, spielt euren Einfluss aus! Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber sagt: Damit sich etwas tut, braucht es den Mix aus politischem Einsatz und bewusstem Konsum.

Redaktion: Was ist das Mindeste, was ein Mensch heute für den Klimaschutz tun sollte? Hans Joachim Schellnhuber: »Das Allermindeste ist, das Problem überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Dem Klimawandel können wir uns nicht durch Verdrängung entziehen. Der Erkenntnis sollten natürlich konkrete Handlungen folgen, aber der ›Elefant im Zimmer‹ muss als solcher erst wahrgenommen werden.« Über zwei Drittel der weltweiten CO ² -Emissionen werden von 90 Konzernen verursacht. Warum muss denn gerade ich etwas bei mir verändern? »Wenn Sie beispielsweise Kleidung bei einer Kette kaufen oder Fleisch im Supermarkt, steckt darin über Herstellung und Transport eine Menge CO ² . Wir können uns als Konsumenten nicht länger aus der Verantwortung stehlen. Natürlich müssen Politiker Rahmenbedingungen schaffen, die es allen leichter machen, klimafreundlich zu leben. Aber Verbraucher haben Einfluss: Die Unternehmen leben auch von ihrer Reputation und würden in die Knie gehen, wenn sie in Ungnade bei den Konsumenten fielen.« Ist es nicht unpolitisch, das Handeln auf den Konsum zu beschränken? »Ich sitze recht oft mit sogenannten Entscheidungsträgern zusammen, zuletzt als Mitglied der Kohlekommis sion. Doch die Politik reagiert weniger auf gute Beratung als auf Stimmungen der Wähler und Debatten in den Medien. Als Verbraucher müssen wir unser eigenes Verhalten ändern, weil das auch einen Wandel bei den Unternehmen und schließlich den Regierenden erzwingt. Was meinen Sie, wie wohl der Kohlekompromiss ausgesehen hätte, wäre nicht die Mehrheit der Deutschen laut Umfragen sogar zu persönlichen Opfern für den Klimaschutz bereit?« Wie können Bürger denn die Politik dazu bringen, bisher unantastbare Klimasünder-Unternehmen stärker zu regulieren? »Indem sie Fragen und Forderungen stellen, sich aktiv am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Und die offensichtlichen Empfehlungen der Experten unterstützen: baldige Schließung der schmutzigsten Kohlekraftwerke; möglichst komplette Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen; weg von der tierquälerischen, gesundheitsschädlichen und klimafeindlichen industriellen Landwirtschaft.« Ob aber ich jetzt mein Auto weiterfahre, macht doch dann auch keinen Unterschied, oder? »Das Argument, dass ich allein nichts aus richten kann, ist natürlich die allertörichteste aller Schutzbehauptungen.« Warum? »Na, stellen Sie sich vor, Sie sagten Ihren Kollegen, Sie kämen auf absehbare Zeit nicht mehr in die Arbeit, weil der Einzelne ohnehin keinen Unterschied machen würde! Jeder Ozean besteht aus einzelnen Tropfen und so ist es auch mit der Gesellschaft.« Gibt es eine moralische Verpflichtung, keinen Verbrennungsmotor zu fahren? »Dass es eine moralische Verpflichtung gibt, das Klima überhaupt zu schützen, kann ich nicht wissenschaftlich begründen. Wer allerdings die Schöpfung bewahren will, muss sich der eigenen CO ² -Bilanz bewusst werden. Wenn man beispielsweise einmal hin und zurück über den Atlantik fliegt, hat man sein individuelles CO ² - Konto eigentlich schon überzogen – das entspricht ungefähr einem ganzen Jahr Autofahren. Vielleicht also weniger fliegen. Auf Fleisch verzichten. Oder eine Solaranlage auf dem Dach installieren. Kleine Unterschiede können sich gewaltig aufsummieren, wenn wir viele Gleichgesinnte finden.« Klimapolitik wird ja auch als soziale Frage diskutiert. Darf man weniger privilegierten Menschen auch noch den Umweltschutz aufbürden? »Erstens ist da viel Heuchelei im Spiel. Die soziale Karte wird von Politikern und Unternehmern am liebsten dann gespielt, wenn es den eigenen Interessen dient. Dann entdeckt man plötzlich sein Herz für die Schwachen der Gesellschaft. Ja, Klimapolitik kann und muss sozial verträglich gestaltet werden, etwa durch Ausgleichszahlungen oder Investitionen.« Ein Heft für Sie – und Ihre Kinder! Den Text in voller Länge finden Sie im Magazin »Süddeutsche Zeitung Familie«, das es ab jetzt am Kiosk oder im Abo zu kaufen gibt! »Süddeutsche Zeitung Familie« besteht aus zwei Teilen, einem für Kinder und einem für Erwachsene. Die Hefte können neben einander und miteinander gelesen werden. Das Kinderheft eignet sich für Kinder ab vier Jahren und ist komplett werbe frei. Und zweitens? »Nicht die Armen verursachen die Klimaveränderungen, sondern die Reichen. Wir können zeigen, dass die Emissionen weltweit überwiegend von den wohlhabendsten zehn Prozent verursacht werden. Auch für Deutschland kann man das durchbuchstabieren, auch wenn der Unterschied hierzulande nicht ganz so groß ist.« Wer also steht in der Verantwortung? »Die wohlhabenden Industrieländer haben eine historische Verantwortung, rasch ihre CO ² -Emissionen zu reduzieren. Rechnen wir die Emissionen zusammen, die in der Atmosphäre wie in einer Mülldeponie eingelagert wurden, steht Deutschland seit der industriellen Revolution immerhin auf Platz vier. Wir haben massiv zur klimatischen Veränderung der Welt beigetragen. Doch auch die Entwicklungsländer stehen nun in der Verantwortung, nämlich nicht die gleichen Fehler zu machen und ungebremst Treibhausgase in unsere Atmosphäre zu blasen.« ››› Das Interview führte Meredith Haaf. Hans Joachim Schellnhuber, Professor für Theoretische Physik, ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen. Er formulierte die Zwei-Grad- Grenze, die im Pariser Klimaabkommen beschlossen wurde. Alnatura Magazin August 2019 45

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