ZU BESUCH BEI ARCHE Was nehmen Sie von Ihren regelmäßigen Geschäftsreisen nach Asien mit? »In Vietnam zum Beispiel ist es beeindruckend, wie einfach die Menschen dort leben, welche große Zufriedenheit sie ausstrahlen und welche Freundlichkeit uns begegnet. Dort wird uns klar: Das Glück liegt eben nicht im Besitz von mögfür die Erfolgsgeschichte der No-Fish-Sauce von Arche war; die Nachfrage nach dem Produkt hat sich in den letzten drei Jahren fast vervierfacht. BIO-WASABI AUS OBERBAYERN? Inspirationen für neue Produktideen bekommt Stefan Schmidt auch immer wieder auf seinen Reisen nach Japan oder in andere asiatische Länder, in denen er regelmäßig die Hersteller der Arche-Rohstoffe aufsucht. In Korea kam er zum Beispiel auf die Idee, ein Kimchi ins Sortiment aufzunehmen. Er probiert viel vor Ort, besucht Restaurants und Lebensmittelläden. Auch japanische Wasabi-Kulturen hat er besucht: Die Pflanze, die als scharfe Gewürzpaste zu Sushi serviert wird, wächst an wilden Gebirgsbächen. Das im Handel erhältliche konventionelle Wasabi ist meistens ein Gemisch aus Meer rettich, Senf und anderen Zutaten, da echter Wasabi sehr teuer und knapp ist. Das Wasabi-Pulver von Arche enthält dagegen einen besonders hohen Anteil von zehn Prozent Bio-Wasabi. Als der einzige Produzent über längere Zeit ausfällt, kommt Arche vorübergehend in Versorgungsschwierigkeiten für den Rohstoff. So entsteht die Idee, den Wassermeerrettich selbst anzubauen, um unabhängiger zu werden. Da Schmidt mit seiner Familie in Oberbayern wohnt, sucht er dort einen Bio-Betrieb, der etwas Land übrig hat, besorgt mit viel Mühe Bio-Pflanzen aus Asien und beginnt ohne Erfahrung, das empfindliche und eigenwillige Gewächs anzubauen. Er studiert es monatelang, telefoniert viel und testet verschiedenste Standorte und Böden. Nach einigen Rückschlägen gedeihen die Pflanzen jetzt. Bis er wirklich ernten kann, werden Jahre vergangen sein, aber bald kann er mit seinem »Das Glück liegt nicht im Besitz von möglichst vielen Dingen« Im Gespräch mit Stefan Schmidt, Geschäftsführer der Arche GmbH. Herr Schmidt, was verbindet Sie mit Alnatura? »Ich habe bereits mit 15 beschlossen, dass ich in die Wirtschaft gehen und sie verändern möchte. Ich habe meine Familie – glaube ich – ein wenig tyrannisiert, war sehr unbequem, der ›Obergrüne‹. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann und einem Trainee im Bereich Edelmetallhandel studierte ich Wirtschaft an der Universität Witten/Herdecke. Das war damals eine neu gegründete Hochschule – reformerisch und kritisch, die den Ansatz hatte, Wirtschaft anders zu denken, sodass sie wieder dem Menschen dient. So kam ich auch mit Prof. Dr. Rehn in Kontakt, der dort einen Vortrag hielt. Nach einem Zwischenstopp bei einer großen amerikanischen Unternehmensberatung kam ich dann zu Alnatura und habe dort zuletzt einen Teil der Produktentwicklung der Eigenmarke verantwortet. Zeitweilig war ich auch zuständig für die Betreuung einiger großer Kunden. Da habe ich sehr viel gelernt.« Wie kamen Sie zu Arche? »Die Eigentümergruppe, der das Unternehmen damals noch gehörte, sprach mich 2011 an, ob ich nicht Lust hätte, Arche weiterzuentwickeln. Nach zwei bis drei Jahren Grundlagenarbeit kamen wir gut voran, sind vermehrt in die Innovation gegangen und haben das Sortiment und das Team stark weiterentwickelt. Geholfen hat uns dabei immer die hohe Wertschätzung unserer Marke bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern und unseren Handelspartnern. Wir müssen allerdings in sehr schlanken Strukturen wirtschaften, da die Rohstoffe und Produkte ein so hohes Qualitätsniveau haben, dass man sie eigentlich zu einem viel höheren Preis verkaufen müsste. Das liegt auch am Faktor Zeit: Manche unserer Sojasaucen und Misos fermentieren 20 Monate und länger in über hundert Jahre alten Fässern. Sie entstehen in hoher Kunstfertigkeit, die auch in Japan vom Verschwinden bedroht ist. Das bringt einen hohen Aufwand mit sich, den man aber auch schmecken kann. Wir möchten alte Traditionen und Herstellungsverfahren bewahren und vor dem Aussterben retten, daher der Name Arche. Deshalb legen wir Wert auf natürliche Fermentation, lange Reifezeiten, sorgsame Rohstoffauswahl, Liebe bei der Produktion, das Weglassen unnötiger Zutaten sowie authentische Produktionsprozesse, bei denen manchmal auch das wechselnde Klima im Verlauf der Jahreszeiten eine Rolle spielt.« lichst vielen Dingen, sondern in der Familie, in der Gemeinschaft mit anderen Menschen und in Respekt und Wertschätzung. Wir Europäer sind ja oft ruppiger miteinander und selbstbezogener.« »Wir möchten alte Traditionen und Herstellungsverfahren bewahren und vor dem Verschwinden retten, daher der Name Arche.« Stefan Schmidt Wie konnten Sie sich bei Arche für Ihr Anliegen einer gerechteren und nachhaltigeren Wirtschaft einsetzen? »Nachdem ich sechs Jahre als angestellter Geschäftsführer bei Arche gearbeitet hatte, boten mir die Eigentümer das Unternehmen zum Kauf an. Zu dem Zeitpunkt war ich schon 55 und hatte plötzlich ein Entscheidungs problem. Da brachte mich ein Freund auf die Purpose- Stiftung und das Konzept des Verantwor tungs - eigentums. Das hat mich sofort über zeugt: So konnte ich außer in den Produkten auch in der Organisation des Unternehmens einen Beitrag zu einer menschengerechteren Veränderung von Wirtschaft leisten. Ich wollte einfach nicht ›auf der Zielgeraden‹ noch falsch abbiegen und den klassischen kapitalistischen Weg gehen, sondern den Stiftungsweg. Purpose ermöglicht, dass auch ein kleines oder mittelständisches Unternehmen wie wir diesen Weg gehen kann. Das Vermögen ist zweck gebun- 34 Alnatura Magazin August 2022
ZU BESUCH BEI ARCHE Die Wasabi-Pflanze ist sehr empfindlich und pflegebedürftig. Für das Gewürz werden die Rhizome verwendet. Team vielleicht schon ein paar Testprodukte entwickeln. »Wasabi hat ganz besondere, komplexe Bedürfnisse, ist sehr schädlingsanfällig und überhaupt eine Diva. Aktuell wird noch jede Pflanze persönlich betreut«, sagt er lächelnd. Ob kreativer Reifungsprozess, 20-monatige Fermentation der Sojasaucen in uralten Fässern oder jahrelanges Aufpäppeln von Wasabi-Pflanzen – bei Arche weiß man: Gut Ding braucht Weile. MGK den wie in einer Stiftung. Zudem müssen bei uns die Gewinne im Unternehmen bleiben oder können gespendet werden, sie werden also nicht privatisiert. Außerdem darf ich Arche nicht verkaufen, sondern nur zum Nominalwert, also ohne Verkaufsgewinn, an einen werteverwandten Nachfolger weitergeben. Arche ist also kein Spekulationsgut. Alnatura ist auch ein Stiftungs unternehmen, was ich sehr schätze und konsequent finde.« (Mehr zu Purpose unter purpose economy.org) Leben Sie selbst vegan? »Größtenteils, ja, aber im Familiengeschehen muss man natürlich ein bisschen mitmachen, da koche ich schon mal Fleisch und esse auch davon. Aber wir achten streng auf Bio-Qualität. Man kann mit wenig Fleisch viel Geschmack erzeugen, wenn man statt Salz eines unserer Misos nimmt. Dann hat man den Umami-Geschmack. Das kommt auch gut bei Gästen an! Auch wenn ich eine vegetarische italienische Pastasauce koche, nehme ich Misos zum Abschmecken. Man kann unsere Produkte sehr kreativ einsetzen und muss nicht viel wissen. Bei Misos ist es wie bei Wein: Nicht der Wein, den die Fachleute empfehlen, ist der beste, sondern der, der mir am besten schmeckt. Es gibt da keine Vorschriften. Ich rege also immer dazu an, mit unseren Produkten zu experimentieren.« Das Interview führte Maren Kratz. Das Alnatura Magazin durfte in Oberbayern im Wald die Anfänge des Wasabi-Anbaus begutachten. Stefan Schmidt bei der Algenernte in der Bretagne. ÜBER ARCHE NATURPRODUKTE GMBH • unter der Dachmarke Arche Naturküche bietet das Unternehmen feine Bio-Produkte, japanische und asiatische Spezialitäten, europäische Spezialpro dukte und funktionale Küchenhelfer an • 1985 gegründet • 20 Mitarbeitende • Standort: Hilden, Nordrhein- Westfalen • Unternehmensorganisation: Verantwortungseigentum seit 2019; als Purpose-Unternehmen arbeitet die GmbH sinngetrieben und entscheidet eigenver antwortlich über die strate gische und inhaltliche Ausrichtung • in den frühen 1980er-Jahren in Ravensburg als kleiner Makrobiotik laden gestartet, der die ersten Misos und Sojasaucen aus Japan nach Deutschland importierte Alnatura Magazin August 2022 35
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