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Alnatura Magazin Juni 2018

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HERSTELLER-REPORTAGE Die

HERSTELLER-REPORTAGE Die Kompromisslosen Alles hängt mit allem zusammen. Wir haben die Bio-Brauerei Neumarkter Lammsbräu besucht, die diese Binsenweisheit wörtlich nimmt und so Erstaunliches für eine ganze Region leistet. Große Worte lassen sich manchmal mit kleinen Dingen belegen. »Ganzheitlich« ist so ein Wort. Laut Wikipedia ist damit eine vollständige Betrachtung aller Teile und ihrer Beziehungen untereinander gemeint. Die Neumarkter Lammsbräu beansprucht für sich eine ganzheitliche Unternehmensführung. Mich interessiert, ob und wie das der Bio-Brauerei gelingt. Doch wo fange ich an? Wenn alles mit allem zusammenhängt, spielt es ja keine Rolle, bei welchem Thema ich ansetze. Ich liebe Bier, gerade die bittere Note eines Pils ist ein unschlagbarer Genuss. Also beginne ich beim Hopfen. Mengenmäßig ist Hopfen eine unbedeutende, geschmacklich jedoch eine tonangebende Bierzutat. »Wir verwenden ausschließlich ganze Dolden für unsere Biere«, sagt Susanne Horn, die Chefin der Lammsbräu. Und was machen andere Bierhersteller? »Schauen Sie auf deren Etiketten«, meint sie höflich. Hopfenpellets lese ich dort fast überall, also vermahlener und gepresster Hopfen. Unwillkürlich denke ich an Tütensuppen. Bio-Hopfen dagegen ist eine Rarität, für die Lammsbräu kommt er unter anderem vom Bioland-Hof Eckert. Norbert Eckert war einer der ersten Bio- Hopfenbauern der Lammsbräu. Heute, über 30 Jahre später, führt sein Sohn Markus die Zusammenarbeit mit der Oberpfälzer Brauerei fort. Die Felder der Eckerts liegen rund 50 Kilometer von Neumarkt entfernt. Das entspricht auch meinem Verständnis von regional. Bio trifft regional, denke ich und setze ein erstes Überzeugt- mich- Häkchen. Weltweit gibt es nur rund zwei Dutzend Bio-Hopfenbauern, die meisten im Umkreis der Lammsbräu. Sie haben sich allein wegen des Brauerei-Inhabers Franz Ehrnsperger und dessen stichhaltiger Argumente, sicherlich auch wegen seiner gewinnenden Ausstrahlung auf das unbekannte Bio-Terrain gewagt. Bio-Bier gab es in den 1970ern nicht und selbst heute, da die Lammsbräu unangefochtener Marktführer ist, gilt: Ökologisches Bier ist eine Spezialität in einer Nische und Hopfen eine empfindliche Pflanze. Warum sollte ein konventioneller Bauer dieses Risiko Neumarkter Lammsbräu kurz gefasst Europas größte Bio-Brauerei, seit 1800 von der Familie Ehrnsperger geführt Sortiment 19 Bio-Biere, darunter 6 alkoholfreie Sorten, 3 glutenfreie Bio-Spezialitäten, 12 Bio-Erfrischungsgetränke, 4 Bio-Mineralwasser-Sorten Mitarbeiter rund 130 lammsbraeu.de

Hundert Prozent bio, null Prozent Kompromiss – das Motto der Lammsbräu gilt auch für den Bio-Aromahopfen. Susanne Horn (links), Generalbevollmächtigte der Neumarkter Lammsbräu. eingehen? Ja, Bio-Bauern schützen Böden und Grundwasser, doch vom Umweltschutz allein werden sie und ihre Familien nicht satt. Deshalb gründete Franz Ehrnsperger 1989, nachdem er bereits Bauern bei der Umstellung auf Bio unterstützt hatte, die Erzeugergemeinschaft für ökologische Braurohstoffe (EZÖB). Die Idee: Die Bauern liefern Hopfen, Gerste, Weizen und Dinkel zu festgelegten Mengen, Qualitäten und Preisen. Umgekehrt erhalten sie eine Abnahmegarantie über fünf Jahre und damit wirtschaftliche Sicherheit. Heute besteht die EZÖB aus 160 Bio- Landwirten. Für die Menschen, die Wirtschaft und die Umwelt im Landkreis Neumarkt sind sie ein Gewinn. »Es ist ein Unterschied, ob wir mit unseren Partnern über Preise streiten oder vor allem über Qualität und Naturschutz sprechen«, resümiert Susanne Horn. Mit der Mälzerei bekomme ich eine weitere Besonderheit vorgestellt, denn als eine von wenigen Brauereien stellt die Lammsbräu ihr eigenes Malz her. Aus Qualitätsgründen und weil vor allem heimische Gerste vermalzt werden soll. Und ich erfahre, dass das ökologische Rein heitsgebot der Lammsbräu viel weiter geht als das weithin bekannte Reinheitsgebot. Zum Beispiel, weil die Lammsbräu auf Polyvinylpolypyrrolidon, ein Hilfsmittel zur künstlichen Verlängerung der Haltbarkeit, verzichtet. Vor lauter Informationen schwirrt mir langsam der Kopf. Statt weiterer Fakten bekomme ich verständnisvoll den Öko-Controlling-Bericht in die Hand gedrückt. Hierin dokumentiert das Unternehmen jedes Jahr, wie es ganzheitlich wirtschaftet – und wo es noch besser werden möchte. Dieser letzte Punkt beeindruckt mich, nun ja, nach haltig. Denn obwohl die Neumarkter Lammsbräu für ihre ökologischen Errun gen schaften wie kaum ein anderes Unternehmen mit Preisen ausgezeichnet wurde, spüre ich bei keinem Mitarbeiter etwas von Aufden-Lorbeeren-Ausruhen. »Der nachhaltige Weg ist nie beendet. Wir arbeiten laufend daran, noch umwelt-, ressourcen- und klimaschonender zu produzieren“, sagt Susanne Horn. Ab Ende 2018 wird ihr Johannes Ehrnsperger, der Sohn des Bio- Pioniers Franz Ehrnsperger, in der Geschäftsleitung zur Seite stehen und dem Familienunternehmen seine eigene Prägung geben. Ganzheitlich, dessen bin ich sicher. Auf der Rückfahrt im Zug entdecke ich in meiner Hosentasche eine Hopfendolde. Gedankenverloren zerreibe ich sie und das Aroma erzählt mir noch einmal die Geschichte dieser Bio- Brauerei. Es sind eben doch die kleinen Dinge, die das große Ganze erklären. ››› Volker Laengenfelder Über 20 Sorten Bio-Biere, darunter mehrere alkoholfreie – das breiteste Sortiment im Markt. Alnatura Magazin Juni 2018 23

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